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danielle zimmermann

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WHERE THE WILD THINGS ARE
Für DanielleSie hatte viele Kleider, ein paar Bücher und eine geheimnisvolle Schachtel aus Sandelholz bei sich, die Paul niemals offen gesehen hatte.Pittigrilli
Danielle, das ist die Kraft der Marke. Das ist die reine Frische. Das ist es, was wir alle wirklich immer wollten: purer Konsum, fettfrei und genußvoll. Allerdings, vielleicht nicht völlig rückstandslos. Widerborstet es da gelegentlich nicht ganz dezent? Never mind! Denn Kunst ist geil. Jetzt mit 25% mehr! Inhalt. Inhalt? Fettfrei und genußvoll. Lassen sie sich von unserer jungen, unerhört attraktiven Kunstfachverkäuferin demonstrieren, wie mühelos sich der patentierte Dreiwege-Einkaufswagen bedienen läßt. Staunen Sie, wenn leere Wände sich mit Mehrwert füllen. Lassen Sie ihre Begehrlichkeiten wecken. Die Anleitung zur Montage erhalten Sie wahlweise als Live-Act oder DVD. Originalton-tauglich selbstverständlich. Sahen Sie jemals formschönere Kunst-Stoff-Tüten? Exklusiveres Design für Ihre heimischen Freiflächen? Auf Wunsch auch in der enorm angesagten Ausführung LIDL. Die Produktlinie wartet mit special announcements für jede Geschmacksrichtung auf.
Am besten, Sie entscheiden sich jetzt gleich, dann wird eine probeweise Vorführung gratis - vorgeführt. Nehmen Sie zwei, zum Preis für zwei oder besser drei, zum Preis für drei. Und Sie werden sehen, mit Danielle wird Ihr Leben reicher und erfüllter werden. Danielle macht glücklich. Sollten - in seltenen Fällen- Nebenwirkungen wie zum Beispiel verstärkte Denkanstöße auftreten, wenden Sie sich an einen Art Consultant Ihres Vertrauens. Bei künstlerischer Vorbelastung kann Danielle unter gewissen Umständen suchterzeugende Wirkung entwickeln. Sorgen Sie sich nicht, ziehen Sie einfach in eine größere Wohnung um, da ist dann noch freier Platz an den Wänden.
Es gehört eine gewisse Chuzpe dazu, all das, was unsere schöne neue Warenwelt ausmacht mit einer solchen Mischung aus unverklemmter Anteilnahme und scharfsichtiger Pointierung, zuweilen geradezu schwarzem Humor ins Visier zu nehmen. Danielle - aus Erfahrung gut und elegant gewitzt - gelingt dies Kunststück. Im Doppelsinne eines. Denn sie hätte es nicht nötig, leichenbitter gegen die Travestien unseres modernen Konsumismus zu wettern. An dem wir alle schließlich nur allzu gerne Teilhabe nehmen, den Heuchlern und den sauren Moralisten sei es überlassen, so zu tun, als sei dies nicht der Fall. Danielles Umgang mit der schönen Oberfläche ist ein unterhaltsamer, spielerischer durchaus, was sollte sie auch sich und andere langweilen wollen. Doch ist er auch decouvrierend. Legt hinter der Fassade bloß, was diese allzu gern versteckte. Das Manische, das Nimmersatte, den Hunger auf das, was der wache Kopf nicht braucht, das Herz schon gar nicht: das künstliche Bedürfnis, synthetische Sehnsüchte, Erfüllungssurrogate: Manschetten für Turnschuhe beispielweise, hip und hipper, die Binde für dem Papagei seine Tage. Für Mamagei die Rückkehr des Achselhaars als Toupet im Achselausschnitt: gefärbt, besser als echt. Nicht bißfrei aber genußvoll. Das gelingt, weil sie die Werbung mit ihren eigenen Topoi und Ikonen konterkariert, der Jingle-Music der Werbe-Trailer, dem literarischen Nonsense der gesungenen Botschaft, den neonleuchtenden Farben, der Schönheit. Schöne Models in schöner Kulisse, schöngekleidet, schöne Gesten vollführend, im Habitus einer leicht unterernährten Venus. Fürwahr, sie ist ein Kind ihrer Zeit, sie nutzt die Mittel Computer, Print und Folienzeichnung, Web-Design und Video, Performance und Multiples aller Art: von Danielle, der Mütze, über Danielle, dem T-Shirt, bis Danielle, dem Sticker. Dazwischen aber auch Danielle, der Siebdruck und Danielle, der Linolschnitt. Und dann wundert man sich erst einmal, wieviel Kraft eine überkommene graphische Technik in den Händen derjeniger entwickelt, die sie beherrscht und einzusetzen weiß. Wie nur jemand, der große Seherfahrung besitzt, so große Kenntnis der Kunstgeschichte, daß er beständig und virtuos mit ihren Bildvorstellungen zu spielen versteht. Wenn jemand, wie sie, eine hervorragende Zeichnerin ist. Nur dann sind die hochgestielt langbeinigen Mädchen aus den Illustrierten endlich einmal mehr als Kleiderständer. Entwickeln die Breitmaulgrinser auf den Einkaufstüten, völlig fehlfarbig angelegt, Charakter und Individualität. Dann, selbst Bildwerk geworden jenseits allen Zitats, entlarvt sich der ganze banale Schnappschußvorrat jener poppig-fetzig-youngen angesagten Welt.
Genug der Kulturunterbrechung. Kommen wir zurück zu etwas völlig anderem: Werbung. Danielle, das Abo, jetzt erhältlich zu Danielle, der Serie. Kennen Sie übrigeens schon das Club-Magazine?
Bißfest und gehaltvoll.

Gerhard van der Grinten, 9.12.2004